Resilienz

RESILIENZ – die Kraft des Guten

(c) Karl-Heinz Bittl

Was hat Sie stark gemacht? Was stärkt Sie? Überlegen Sie bitte ein paar Minuten und schreiben Sie 10 Eigenschaften auf, die Sie stark machen, und dazu Menschen oder Erfahrungen, die Ihnen diese Stärke vermittelt haben. Sie können auch hier ein Bild verwenden: die Sonnenblume. Schreiben Sie in die Mitte Ihren Namen und in die Blütenblätter Ihre Stärken. Fügen Sie zu jedem Blütenblatt noch eine kleine Verbindung zum Stiel hinzu, in die Sie eine Person schreiben, die Sie dazu gestärkt hat. Unsere Stärken haben wir nicht aus uns selbst. Sie wurden uns auf unserem Weg gegeben.

Wenn Sie sich diese Liste ansehen, dann werden Sie feststellen, dass wir als Menschen, die im Leben stehen, mit Kindern arbeiten und mit Eltern und KollegInnen zurechtkommen müssen, große Ressourcen haben. Wir haben es geschafft, „erwachsen“ zu werden und viele Schwierigkeiten in der Kindheit zu bewältigen. Das hat manchmal mit „Glück“ zu tun. „Glück“, dass gerade in der Zeit, die am schwierigsten war, eine Lehrkraft zur Verfügung stand, die mir den Mut gab, mit meinen Schwächen besser zurecht zu kommen oder eine „Gruppenleiterin“ aus dem kirchlichen Jugendverband, die mich unterstützte, indem sie mir zeigte, dass ich auch etwas wert bin.

Neben dem „Glück“ gibt es in uns auch eigene Kräfte, die es uns ermöglichen, das Leid und den Kummer zu kanalisieren, anstatt an ihm festzukleben. Fähigkeiten, die uns die negativen Gefühle in positive umgestalten lassen. Wir haben Energien, mit denen wir uns zur Wehr setzen und Schwierigkeiten meistern können. Das „Trotzdem“ ist ein Ausdruck unseres Willens zu überleben und wir entwickeln Disziplin und die Kraft, um mit Herausforderungen umzugehen. Das alles ist Resilienz.

Zum Begriff: Resilienz kommt aus dem Englischen und bedeutet „Spannkraft, Elastizität“. Der Begriff hat in der Psychologie Einzug gehalten, um das Phänomen zu beschreiben, dass Kinder entwickeln, die in widrigsten Umständen aufwachsen, schwierigste Lebenskrisen erleiden und es schaffen „auf die Beine zu kommen“, d.h. ein erfülltes Leben zu leben. Resilienz ist wie ein Immunsystem der Psyche und ein Schutzschirm für die Seele. Es gibt verschiedene Faktoren, die Resilienz fördern. Die Kindertagesstätte und Schule sind Orte, die einem Kind eine Unterstützung in Richtung Resilienz ermöglichen können.

Wieso ist es heute eigentlich wichtig, sich mit Resilienz zu beschäftigen?

Leben wir nicht in einer Gesellschaft, die friedlich, von wenig Gewalt geprägt oder krisengeschüttelt ist?  Leider ist dem aber nicht so.

Die Schere zwischen Arm und Reicht driftet immer mehr auseinander. Die Kinderarmut nimmt zu. Eltern, die in Armut leben, geraten leicht in einen Teufelskreis aus Sucht und Gewalt. Ein Ergebnis dieses Teufelskreislaufs ist eine Form der Verwahrlosung, die fast noch normal ist, aber doch schon so stark ist, dass Kinder mit Gewalterfahrungen und Missbrauch in die Einrichtungen kommen. Aus den Kriegsgebieten und verelendeten Regionen der Welt versuchen Familien in Deutschland wieder Fuß zu fassen. Diese Kinder und Eltern haben schreckliche Dinge erlebt und brauchen Unterstützung, um damit zurecht zu kommen. Wir vergessen es allzu leicht: Deutschland ist selbst im Krieg und Kinder von Eltern, die durch den Krieg traumatisiert sind, versuchen in Kindertagesstätten und Schule einen Platz zu finden.

Auch bei Kindern, deren Umwelt scheinbar „friedlicher“ ist, haben die Belastungen massiv zugenommen. Die „Verwahrlosung“ der Kinder durch Eltern, die nicht mehr in eine Beziehung zu ihrem Kind gehen, sondern Versorgung durch Konsumgüter betreiben, hat Folgen. Unbegrenzter Medienkonsum, sei es durch die Spielkonsole, Filme oder Internet, verhindert wichtige Eigenschaften, die eine „unbeschwerte“ Kindheit ausmacht. Sie schädigen eine kindgerechte Entwicklung und können frühe Traumatisierungen bedingen. Hinzu kommt eine zunehmende Leistungsanforderung durch das System Schule, die weder altersgerecht noch sinnvoll ist. Das natürliche Spiel ist massiv eingeschränkt und gibt Kindern wenig reale Erlebnisräume, die zur natürlichen Entwicklung beitragen. Dies sind einige Aspekte, die dazu beitragen, dass wir heute im Bereich Kindergarten mit Kindern zu tun haben, die eine Unterstützung im Entwickeln der eigenen Widerstandskraft brauchen.

In der Schule sind schon viele Grundsteine für oder gegen diese Widerstandskraft gelegt. Lehrkräfte können altersgemäß auf die Kinder eingehen und ihnen ihre Entwicklungsschritte ermöglichen. Sie können aber auch bei Kindern Krisen und Verzweiflung auslösen, indem sie ihnen die eigene Entwicklung absprechen. Leider sind hier strukturell unsinnige Weichen gestellt worden. Eine frühe Einschulung, ohne die Schule selbst zu verändern, bringt dem Kind keinen höheren Lerneffekt, sondern kann dazu führen, dass eine Überforderung und Schwächung der kindlichen Widerstandskraft eintritt.[1] Kindertagesstätten und Schule werden heute immer mehr die Orte, bei denen Kinder Unterstützung und Stärke erfahren können. Dies erfordert jedoch ein Umdenken und Werkzeuge, die altersgemäß mit den Belastungen umgehen.

Resilienz ist nicht defizitorientiert

Die Idee, die hinter dem Begriff der Resilienz steht, legt ihren Schwerpunkt auf die Bewältigung von Krisensituationen, wie beispielsweise eine Trennung der Eltern. So ist das Augenmerk weit über die Anpassungsprobleme von Kindern hinaus gerichtet. Um schwerwiegende Lebensbedingungen, die bewältigt werden sollen, zu meistern, brauchen Kinder Unterstützungen, um mit Stress- und Problemsituationen umgehen zu können. Dies bedeutet nicht eine „Abhärtungskur“ für Kinder, sondern ein Lernen, indem die Bewältigung von Stress und Problemsituationen gewürdigt und wertgeschätzt wird. Weiterhin ist die Anerkennung der individuellen Stärken und Ressourcen des Kindes wichtig. Sie wahrzunehmen und zu fördern, ist ein entscheidender Beitrag, der einem Kind eine Unterstützung sein kann.

Was zeichnet nun „resiliente“ Kinder aus?

In den empirischen Untersuchungen hat man folgende Merkmale identifizieren können:[2]

      • Sie haben die Fähigkeit mit Problemen lösungsorientiert umzugehen.
      • Sie haben eine hohe Kontaktfähigkeit, können sich in andere Kinder hineinversetzen und auch andere Perspektiven wahrnehmen.
      • Sie können Schwierigkeiten selbst meistern.
      • Sie wissen, wann sie sich Hilfe holen können und wann sie es selbst schaffen sollen.
      • Sie verfügen über eine Lebenseinstellung, die zuversichtlich ist.
      • Sie können überprüfen, ob sie etwas erreicht haben.
      • Sie verfügen über ein hohes Selbstwertgefühl sowie Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
      • Sie sind davon überzeugt, dass ihre eigenen Fähigkeiten wirkungsvoll sind.[3]

Es zeigte sich, dass die resilienten Kinder mit dem Erfolg eigener Handlungen rechneten, Problemsituationen aktiv angingen, ihre eigenen Ressourcen und Talente effektiv ausnutzten und an eigene Kontrollmöglichkeiten glaubten. Diese Fähigkeiten und Kompetenzen tragen dazu bei, dass Stressereignisse und Problemsituationen weniger als belastend, sondern vielmehr als herausfordernd wahrgenommen werden.

Neben den personalen Ressourcen tragen aber auch die Bedingungen in der Lebensumwelt des Kindes zur Entwicklung von Resilienz bei:

      • eine stabile, emotional-positive Beziehung zu mindestens einer Bezugsperson, aufgrund der das Kind ein sicheres Bindungsmuster entwickeln kann
      • ein Erziehungsstil, der durch Wertschätzung und Akzeptanz dem Kind gegenüber gekennzeichnet ist
      • klare Regelvermittlung und Umgang bei Grenzverletzungen
      • Vorbild sein durch klare sozial kompetente Umgangsformen
      • Freundschaftsbeziehungen, die aufbauen und unterstützend sind
      • positive Erfahrungen in Schule und Kindertagesstätte

Nun stellt sich jedoch die entscheidende Frage, wie solche Bewältigungskompetenzen bzw. Resilienzfaktoren und schützenden Bedingungen wirksam gefördert werden können: An welchen Punkten kann Resilienzförderung in den einzelnen Bildungs- und Erziehungskontexten konkret ansetzen?

Ermutigend ist, dass die Resilienzforschung ergab, dass die feste Bezugsperson, zu der das Kind eine sichere Bindung aufbauen kann, auch ErzieherIn oder LehrerIn sein kann. Das bedeutet, dass Sie schon sehr viel zum Aufbau der Widerstandsfähigkeit beitragen, indem Sie ein wertschätzendes Verhalten dem Kind gegenüber zeigen, indem Sie sich über ihre/seine Entwicklungsschritte freuen, indem Sie wenn nötig Grenzen setzen, indem Sie den Kind einfach ein authentisches Gegenüber sind. Weitere Beispiele, wie Erziehende und Lehrkräfte Resilienz fördern können, sind:

      1. wertschätzend mit den Kindern sprechen
      2. konstruktive Bearbeitungsansätze von Problemen fordern
      3. die eigenen Gefühle in die Beziehung einbringen
      4. erzieherische Präsenz zeigen
      5. aktives und positives Modellverhalten

Bei der Förderung des einzelnen Kindes sind es zumeist die kleinen, scheinbar selbstverständlichen Dinge, die langfristig dazu beitragen, dass sich das Kind beispielsweise selbstwirksam erlebt. Die Kinder der Kindertagesstätte schenken sich selbstständig Trinken in das Glas. Zwei Kinder haben Tischdienst und wischen den Tisch ab oder ein Kind sagt laut STOPP und das andere Kind beendet das grenzüberschreitende Verhalten. ODER …

Weitere Beispiel zur Förderung des einzelnen Kindes:

      • das Erkennen von Zusammenhängen bei einem Problem
      • die Entwicklung von eigenen Konfliktbearbeitungsformen
      • die Wahrnehmen der eigenen Verantwortung
      • die Entwicklung von selbstständigem Tun
      • die Erfahrungen, dass sie etwas bewirken können und wo ihre Grenzen sind
      • die realistische Einschätzung des eigenen Handelns stärken
      • die Stärkung des Selbstwertgefühls des Kindes
      • die Förderung von sozialen Kompetenzen
      • die Wichtigkeit der eigenen Gefühle erkennen

Das WIR-Konzept:

Wie wir schon beschrieben haben, beginnen wir mit den Sinnen.  Die Sinne dienen uns bei der Klarheit an der Grenze. Wenn wir sehen dann können wir unterscheiden, wann etwas zu nah, zu grell oder zu dunkel ist. Wenn wir hören, finden wir einen Zugang was wir gerne und was wir nicht so gerne hören. Beim Schmecken ist es ähnlich. Beim Spüren erleben wir durch die Haut Wärme, Kälte und Berührung. Wir spüren wann es uns zu nah wird. Dann setzen wir Grenzen. Wahrscheinlich wird Dir gerade bewusst, was Kindern fehlt, wenn sie sehr lange Medien konsumieren.

Ein zentrales Resilienzthema ist der positive Umgang mit den Gefühlen. Um nicht missverstanden zu werden. Es geht nicht um positive Gefühle! Die gibt es nämlich nicht. Es geht darum alle Gefühle für wichtig zu halten. Haben wir Angst, geht es nicht diese zu überwinden oder zu negieren. Wir möchten, dass darauf gehört wird. Ähnlich ist es mit der Wut oder der Trauer. Wir laden Erziehende wie Kinder dazu ein, über ihre Gefühle zu sprechen. Das Faszinierende: Kinder können das sehr gut! Sie missbrauchen die Gefühle auch nicht. Sie fühlen und sind froh, wenn jemand zu ihnen sagt: Es ist gut, wenn Du Wut hast! Nur darfst Du niemanden weh tun. Deswegen müssen wir uns was überlegen, was Du mit Deiner Wut tun kannst.

Mit den angebotenen Einheiten lernen Kinder die eigenen Gefühle wahrzunehmen und sie auch auszudrücken. Sie lernen die eigenen Fähigkeiten zu entdecken. Sie benennen Stärken und ihre Grenzen. Sie lernen „Stopp“ zu sagen und sich rechtzeitig Hilfe zu holen.

Erziehende, die sich auf das Programm einlassen, werden Vorbilder für emotionale Wahrnehmung und dem Umgang mit Gefühlen, die schwierig sind. Sie können in der Morgenrunde einfach mitteilen, dass sie gerade sehr ärgerlich sich, und was sie da heute besonders brauchen.

Im Konfliktbearbeitungsverfahren, das wir vorschlagen, lernen Kinder die Zusammenhänge verstehen und können auf lange Sicht auf ein sehr umfangreiches Repertoire an Alternativen zurückgreifen. Außerdem erfahren sie sich hier als selbstwirksam, weil ihre Vorschläge vielleicht zur einer Lösung beitragen.

Spiele und Übungen, die Resilienz in der KiTa unterstützen können:

Seelenvogel

Eine wunderschöne Geschichte von einem Vogel, der sich (aus dem Käfig befreit) um unsere Sorgen und Wünsche kümmert. Daraus entstand eine Gestaltungsidee für Kinder ab der 3. Klasse. Jedes Kind malt sich einen Seelenvogel und klebt auf den Bauch des Seelenvogels einen Briefumschlag. In diesen Briefumschlag kann das Kind Sorgen und Wünsche legen. Am Ende der Woche leert das Kind den Umschlag und schaut noch mal nach, was sich so getan hat. Die Wünsche und Sorgen werden dann entfernt.

Geschichte und Anleitung sind zu finden unter: Diemut Schilling, Das bin ich, Bildnerisches Gestalten mit Kindern, Verlag an der Ruhr, 2005

Sorgenpüppchen

Die Sorgenpüppchen aus Südamerika nehmen Sorgen und Ängste im Schlaf zu sich. Zu finden unter: http://www.kikisweb.de/basteln/stoff/sorgenpuppen.htm

Ein Unterrichtsprojekt: http://www.don-bosco-schule-lutten.de/projekte-a-aktionen/241-20102011-letzter-aufsatz-klasse-4-sorgenpueppchen-aus-guatemala

Kraftfiguren

Irina Korschunow: Hanno malt sich einen Drachen, dtv junior

Dazu das Literaturprojekt: Susanne Sternitzke: L Literaturprojekt: Hanno malt sich einen Drachen, für die 1. und. 2 Klasse. Verlag Kempen,

Die Anton- Rée-Schule Allermöhe daraus ein Theaterstück für die 4. Klasse gemacht: http://www.hh.schule.de/arsa/unterricht/musik/hanno.htm

Stärkentagbuch

Kinder gestalten ein Stärkentagebuch und schreiben täglich auf, was sie heute gestärkt hat. Das kann in der Vorschule eine Art Malbuch sein. Im Hort kann es wirklich ein Buch mit vielen Geschichten werden.

Unterstützungssysteme

Wir laden die Kinder ein sich jemanden zu suchen, der sie unterstützen kann.  Was mich stark macht! – Geschichten zu Unterstützungssystemen als Hausaufgabe.

Bewältigungsgeschichten

Ein Wand gestalten auf der Erfahrungen dargestellt werden. Auch Eltern einzuladen von solchen zu berichten.

Buchtipp

Petra Stamer-Brandt: Stark-mach Spiele, Christopherusverlag 2004

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[1] Berhard Eibeck: „Nicht das Kind ist verpflichtet, den Nachweis der „Schulreife“ zu erbringen, sondern es wird die Aufgabe der Schule sein, auf den individuellen Bildungsstand des Kindes einzugehen und ihr pädagogisches Angebot darauf abzustimmen.“ (Akteur seiner selbst. In: Erziehung und Wissenschaft, Heft 9, 2002, S. 18)

[2] Aus Corinna Wustermann, ISS,

[3] Werner, E.E. / Smith, R.S. (2001): Journeys from childhood to midlife: Risk, resilience, and recovery. Ithaca: Cornell University Press.